“Demokratie und Lebenswelten” ist Teilprojekt 2 des Demokratie-Monitoring Baden-Württemberg. Das Forschungsprogramm Demokratie-Monitoring ist Teil des Gesamtprogramms “Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft”, welches die Universitäten Mannheim, Tübingen, Stuttgart und Freiburg im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH durchführen.
Eine kurze Projektskizze findet sich auf dem Beteiligungslotsen der Baden-Württemberg Stiftung.
Erkenntnisinteresse
Die alltäglichen Bezüge unseres Lebens, all das, was um uns herum geschieht, haben prägenden Einfluss auf uns. Auch und gerade auf unser Demokratieverständnis und die Art und Weise, wie und wo wir uns einbringen und beteiligen. Im Projekt “Demokratie und Lebenswelten” interessieren wir uns daher dafür, wie Bürgerinnen und Bürger Politik und Demokratie für sich definieren und in welchem Bezug dies zu ihrer jeweiligen Lebenswelt steht. Besonders zentral ist dabei auch die Frage nach Beteiligungsbiographien, also wie, wo und warum sich Menschen politisch und/oder sozial (nicht) beteiligen. Im Rahmen des Forschungsprojekts fragen wir daher:
- Wie prägen lebensweltliche Bezüge das Verständnis und die Beurteilung von Politik und Demokratie sowie Art und Umfang politischer Beteiligung?
- Welche politischen Themen und Bezüge sind relevant?
Dabei geht es in einem zweiten Schritt auch darum Empfehlungen zur Beantwortung folgender Fragen formulieren zu können:
- Warum präferieren Bürgerinnen und Bürger bestimmte Beteiligungsformen?
- Wie können vor diesem Hintergrund partizipative Elemente des Politischen Systems gestaltet werden?
Theoretischer Hintergrund
Interessen, und insbesondere politische Interessen, sind nach dem lebensweltlichen Ansatz von Alfred Schütz (Schütz 1966; 1970) immer kulturalisierte Interessen. Sie sind geprägt durch die lebensweltlichen Erfahrungshorizonte, Argumentationsmuster und Lebensvollzüge in der alltäglichen Lebenswelt. Die lebensweltlichen Erfahrungen in Arbeit, Familie, Freizeit, aber auch der Wünsche, Ängste und Träume bestimmen und leiten dabei das Handeln. Denn sie liefern den Erfahrungshorizont, Realitäts- und Sinnbereich, in dem ein spezifischer Wissensvorrat bereitgestellt wird. Lebenswelt stellt so ein „bounded whole“ sozialer Realität.
Erhebungsdesign und Methodisches Vorgehen
Wir haben Interviews in 14 Untersuchungskommunen geführt. Die Auswahl der Kommunen erfolgte nach regional-siedlungsräumlichen und aktivitätsbezogenen Kriterien. Pro Kommune werden etwa 20 Personen befragt. Am Ende sind es also insgesamt etwa 280 Interviews.
- Die Auswahl der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner erfolgte unter Berücksichtigung sozio-demographischer Kriterien sowie auf der Basis von theoretischem Sampling.
- Leitfadengestützte episodische face-to-face Interviews.
- Dauer: zwischen 25 und 90 Minuten.
- Transkription nach einfachen Transkriptionsregeln.
- Auswertung mit MaxQDA
Vorläufige Ergebnisse
- Die formulierten Politikbegriffe sind – ebenso wie das Demokratieverständnis – sehr heterogen. Allerdings lassen sich zwei Pole identifizieren: Einem elitär geprägten, gouvernemental orientierten Politikbegriff korrespondiert ein stark auf Wahlen fokussiertes repräsentatives Demokratieverständnis. Demgegenüber steht ein egalitär-partizipativer Politikbegriff gegenüber, der mit einem Demokratieverständnis einhergeht, das stark dialog- und direktdemokratisch orientiert ist.
- Lebensweltliche Bezüge, Schlüsselerlebnisse und Motive haben einen wichtigen Einfluss auf Partizipation. Insbesondere berufliche Bezüge und individulelle Betroffenheit / Lebenssituation wirken sich auf Art und Umfang von Beteiligung aus. Die daraus resultierenden Beteiligungsbiographien unterscheiden sich erheblich.
Das Projekt befindet sich in der Endphase der Analyse. Die Ergebnisse werden Ende des Jahres vorliegen.